Gedankenstriche: Die Schweiz als ewige «Fast-Sieger» im Teamsport

Trotz mehrheitlich guten Leistungen versagen Schweizer Spiel-Nationalteams in wichtigen Spielen fast ausnahmslos auf unerklärliche Weise.

Der Versuch der Schweizer Handballnationalmannschaft, sich für die EM-Endrunde 2022 zu qualifizieren, hat in einem ärgerlichen Fiasko geendet. Am Schluss fehlte ein einzige Tor im letzten Spiel, um mit einem Unentschieden das angestrebte Ziel zu erreichen, und das, obwohl das Team während dem ganzen ersten Viertel des Jahres von den Medien mit dem Prädikat «Weltklasse – oder fast» ausgezeichnet worden war.
Nach dem kurzfristig erhaltenen Startplatz an den Weltmeisterschaften in Ägypten, wo die Schweizer, trotz rudimentären Vorbereitungen, sogar gegen absolute Weltklasse-Teams auf Augenhöhe spielten und jeweils nur ganz knapp verloren haben, war die Euphorie in der Handball-Schweiz gross. Die Schweiz war wieder auf der Handball-Weltkarte angekommen. Was dabei geflissentlich übersehen wurde war, dass man jene Spiele eben zuletzt doch immer verloren hatte, wenn auch nur mit einem oder zwei Toren Differenz, und dabei hätte manchmal schon ein Unentschieden zur Qualifikation für noch Höheres gereicht.
So gesehen war die EM-Ausscheidung nur die Fortsetzung eines Trends, der bei Schweizer Nationalteams in Spielsportarten immer wieder festzustellen ist: in den wirklich entscheidenden Spielen sind sie immer nur «Fast-Sieger», und es hat wieder nicht gereicht.
Bei den Handballern war der Verlauf solcher Spiele fast stereotyp. Sie führten in der ersten Halbzeit manchmal mit fünf bis sechs Toren Vorsprung und verhaspelten diese Vorgabe in der zweiten Halbzeit, und vor allem in den letzten zehn Minuten, mit geradezu grotesker Regelmässigkeit. Es fehlte halt das, wofür man sich selbst hielt, die absolute Weltklasse, oder anders ausgedrückt, man war mental der Situation nicht gewachsen. Alle Beschwörungen der eigenen Stärke war eben nur Staffage. Wenn es darauf ankam, fehlte dann das absolute Selbstvertrauen in das eigene Können, fehlte der entscheidende Wille, sich durchzusetzen, koste es was es wolle. «Schön gespielt, gut gekämpft und doch nur fast gewonnen…»
Dass danach in den Medien die Spieler/innen bedauert,  und mit dem Satz, «sie hätten es ja nicht absichtlich gemacht» entschuldigt werden, ist halt auch so eine Schweizer Eigenart, so grenzenlos blöd eine solche Entschuldigung auch sein mag.
Die Handballer sind auf diesem Feld ja nicht die einzigen! Die Schweizer Fussball-Teams der Männer und Frauen werden ja schon seit Jahren mit völlig überzogenen Einschätzungen ihrer Klasse hochgelobt, weil sie zugegebenermassen immer wieder gute Resultate erreichen, wenn es um Qualifikationen für Endrunden geht. Aber dann kommt in der k.o.-Phase so regelmässig schon in der ersten Runde das «Aus», dass man das nicht mehr mit Zufall oder fehlendem Wettkampfglück entschuldigen kann. Es fehlte halt einfach der Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit, und schon ist wieder eine «unnötige Niederlage» und ein ärgerliches Ausscheiden Tatsache.

Man erinnert sich an die Fussballer: WM 2006: Ausscheiden im Achtelfinal durch ein völlig verpatztes Penaltyschiessen gegen die Ukraine, WM 2014: Gegen den haushohen Favoriten Argentinien hielt man bis zur vorletzten Minute der Verlängerung mit und war auf dem Weg zu einem hoffnungsvollen Penaltyschiessen, als ein leichtfertiger Ballverlust im Mittelfeld dem Gegner die Chance zum Sieg eröffnete, welche dieser dann in richtiger Weltklassemanier auch wahrnahm. Danach war es dann an der EM 2016 wieder ein Penaltyschiessen, welches den Vorstoss in den Viertelfinal verhinderte, usw, usw.
Die Frauen «eiferten» den Männer nach, indem sie bei Qualifikationen mehrfach Erfolge, welche man völlig unter Kontrolle zu haben schien, im letzten Spiel noch aus den Händen gab, und das nicht etwa gegen übermächtige Gegnerinnen.
Bei den Schweizer Basketballern, welche in der Westschweiz etwa den Stellenwert des Deutschschweizer Handballs einnehmen, sind ähnliche «dumme» Niederlagen in wichtigen Spielen ebenso festzustellen, wie etwa im Frauen-Volleyball, obwohl diese beiden Sparten sich nicht unter dem Prädikat «Weltklasse» feiern lassen können. Vergleichbar ist nur die Tatsache, dass entscheidende Spiele eben mit unschöner Regelmässigkeit verloren werden, manchmal scheinbar völlig unnötig.

Die in den letzten Jahren wohl ärgerlichsten, unnötigen Niederlagen gehen auf die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft zurück, welche von all den genannten Sportarten sicher am nächsten bei der absoluten Weltspitze angesiedelt ist. Immerhin gewann sie an Weltmeisterschaften in den letzten zehn Jahren zwei Medaillen. Die Niederlage im Final 2018 gegen Schweden stand erst nach dem Penaltyschiessen fest – wieder war ein möglicher Sieg in letzter Minute entrückt. Und ein Jahr später an der WM 2019, mit dem wahrscheinlich besten Team der letzten Jahre, standen die Schweizer im Viertelfinal gegen Kanada eigentlich schon im Halbfinal, als die Gegner 0.4 Sekunden vor dem Ende des dritten Drittels noch den Ausgleich erzielten und danach die demoralisierten Schweizer in der Verlängerung bezwangen. Einmal mehr war halt das Sieger-Gen beim Gegner anzutreffen, und die Schweizer Fans mussten erneut feststellten, dass unsere Teams zeitweise spielen, wie die Weltmeister, am Schluss dann halt aber doch nur «Fast-Weltmeister» sind…

Peter Tobler

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