Schmunzelecke «Weisch na?»

In den "schätzbaren" Sportarten spielt das Kampfgericht eine entscheidende Rolle - nicht immer zur Zufriedenheit der Sportler/innen...

Der Kampfrichter – das ungeliebte Wesen
Neben den Spielsportarten gibt es im Sport noch die messbaren und die schätzbaren Sportarten. Dort wo in Minuten und Sekunden oder in Metern und Zentimetern gemessen werden kann, herrscht «Zucht und Ordnung», sprich da herrscht Gerechtigkeit, denn die Uhr oder das Messband lassen sich nicht austricksen. Ganz anders in den Sportarten mit schätzbaren Resultatermittlungen – dort also, wo Kampfrichter/innen das Sagen haben. Da ist die Subjektivität bereits einkalkuliert, und entsprechend hoch gehen manchmal die Wogen bei vermeintlichen Fehlurteilen. Eiskunstlaufen, Turnen, Wasserspringen und Skiakrobatik können davon ein Liedchen singen. Im Mittelpunkt steht immer das Kampfgericht, welches nach vorgegebenen Kriterien die Leistungen bewerten soll, und wo es halt, wie überall, «menschelt».

Für die Schmunzelecke möchte ich dabei auf Situationen zurückblicken, welche ich vor rund einem halben Jahrhundert am eigenen Leib erfahren habe…

Das Kunstturnen war damals eigentlich eine Freiluftsportart, die hauptsächlich im Sommer an Kunstturnertagen oder an Turnfesten ausgetragen wurde. Feuchte Wiesen bei der Freiübung oder heisse Reckstangen in der Mittagszeit waren da an der Tagesordnung, und Kampfrichter mit hockgekrempelten Hemdärmeln und weisser Dächlikappe natürlich ebenfalls.

Unvergesslich bleibt mir dabei eine Situation an einem Städtischen Turnfest in Wollishofen, wo der Wettkampf im Kunstturnen in den frühen Morgenstunden abgewickelt wurde. Man turnte an allen sechs Geräten gleichzeitig, und die Luft war bereits mit dem Duft von grillierten Bratwürsten geschwängert. Ich konnte zu einem meiner Lieblingsgeräte antreten, dem Ringturnen. Das ist ein Gerät, welches viel Kraft und Körperspannung erfordert. Ziemlich am Anfang der Übung kam dabei der Kreuzhang, wo man sich aus dem Stütz langsam mit seitwärts ausgestreckten Armen in einen viel Kraft erfordernden Halt im Kreuzhang senkte. Während diesem Kraftakt hatte ich den einen der beiden Kampfrichter genau vor mir im Blickfeld. Er sass auf seinem Stuhl, blinzelte in die Sonne und biss genau in diesem Moment genüsslich in einen Cervelat. Man kann sich etwa vorstellen, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf ging. Der konnte ja meinen Höchstschwierigkeitsteil gar nicht gesehen haben! Der würde meine Leistung sicher um einige Zehntelpunkte zu tief bewerten – verdammter Gauner! Aber so sind Kampfrichter eben! Natürlich war dieser Gedanke ebenfalls subjektiv – natürlich von meiner Seite…

Das zweite Erlebnis hat ebenfalls mit den Ringen zu tun.

Im Winter fanden meistens die Mannschaftswettkämpfe um die Kantonale Vereinsmeisterschaft statt, wo in verschiedenen Kategorien geturnt wurde, und wo man auch die neuen Teile, die man im Wintertraining gelernt hatte, wettkampfmässig erproben konnte. Damals hatte ich mir an den Ringen etwas Neues einfallen lassen, das man sonst nicht zu sehen bekam. Es war eine Art «Bauchwelle, wie man sie vom Reckturnen her kennt, und wo ich auf Höhe der Ringe einen Salto rückwärts drehte, ohne die Ringe loszulassen, um dann mit Schwung weiterfahren zu können. Natürlich musste ich mich dazu völlig zusammenklappen und die Beine anziehen. Aber es sah ganz gut aus und ich machte mir Hoffnungen, mit dieser Neuheit einige Zehntelpunkte Zuschlag zu erhalten. Die Probe aufs Exempel folgte bei einem Halbfinal der Vereinsmeisterschaft in Winterthur.

Der neue Übungsteil gelang gut, wie auch der Rest der Übung, und umso grösser war meine Enttäuschung, dass nur eine relativ tiefe Note herausschaute. «Unfähige Kampfrichter, welche Neues nicht richtig einordnen können. Aber das kennt man ja in Winterthur…» Die nächste Dolchstosslegende gegen mich war schon geboren…

Der Hammer kam aber erst am Ende des Wettkampfs, als einer der beiden Kampfrichter, seines Zeichens gerade Präsident des Eidgenössischen Kunstturnerverbands, mich zur Seite nahm und mir zuraunte: «Übrigens, für de Seich wo du da i de Mitti vo de Üebig gmacht häsch, mit dene aazogene Bei, han ich der grad no drüü Zähntel abzoge!» Das war wie eine Klatsche von höchster Stelle.

Die Rehabilitierung kam dann erst etwa 25 Jahre später, als ein ungarischer Weltklasseturner namens Guczoghy einen solchen Teil – allerdings aus der Riesenfelge und deutlich höher geturnt als ich damals – international vorführte und dafür mit der Namensnennung «Guczoghy», in den internationalen Wertungs-Code einging. Dazu hat er wahrscheinlich jeweils die drei Zehntelpunkte Zuschlag für Originalität erhalten, die mir der Kampfrichter damals abgezogen hat…

Erlebt, erlitten und erzählt von Peter Tobler

 

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