Rückspiegel:
Vor 50 Jahren:
Eidgenössischer Turnerskitag 1972 auf dem Stoos, organisiert vom TVU
Zu Anfang der 1970er Jahre tat sich der TVU als gewiegter und erfolgreicher Organisator von Grossanlässen hervor. 1970 war es das Zürcher Kantonalturnfest mit über 10’000 Turnerinnen und Turnern, welches dem TVU viel Prestige und über 30’000 Franken Gewinn brachte, und 1973 waren die Leichtathleten des TVU der erste Verein aus dem ETV, welcher die Schweizer Leichtathletik-Meisterschaften ausrichten konnte, und auch hier mit grossem finanziellem Erfolg. Dazwischen war im März 1972 die Skiriege an der Reihe, mit dem Eidgenössischen Turnerskitag den grossen Prestige-Anlass des ETV im Winter zu organisieren. Gemeinsam war allen drei Veranstaltungen, dass dabei Helferinnen und Helfer aus dem gesamten TVU zum Einsatz kamen, und dass die Anlässe jeweils mit sehr wenig Vorlaufzeit übernommen werden mussten und trotzdem mit hervorragender Organisationsarbeit aufwarten konnten.
Eidgenössischer Turnerskitag 1972: Zwei Rennen mit jeweils über 500 Startenden an einem einzigen Tag
Wie in der Leichtathletik gab es auch im Skifahren lange Zeit die Doppelspurigkeit von Skiclubs aus dem SSV und «Turner-Skifahrern» in den ETV-Vereinen. Bei denen war der Eidgenössische Turnerskitag seit 1936 der Prestige-Wettkampf, der alle zwei Jahre durchgeführt wurde, und bei dem die Mannschaftswertung im Vordergrund stand. Dabei wurden am gleichen Tag zuerst ein Riesenslalom und dann ein Langlauf ausgetragen. Mit einer komplizierten Punktewertung kombinierte man dann die beiden Disziplinen zu einer Gesamtrangliste. Dabei standen in der höchsten Männer-Kategorie Teams mit maximal 12 Fahrern am Start von denen je die besten acht Fahrer, respektive Läufer, in die Wertung kamen. Von allem Anfang an war der TVU sowohl bei der Förderung dieses Anlasses als auch in den Ranglisten ganz vorne dabei. Hans Bader aus der TVU-Skiriege war als Mitglied der Eidgenössischen Skikommission von 1936 an stets der Betreuer, welcher den jeweiligen Organisatoren mit Rat und Tat zur Seite stand, und 1958, bei der 7. Auflage, war er im TVU-Organisationskomitee auf dem Stoos der allgegenwärtige Präsident, der den Anlass zu einem erfolgreichen Ende führte.
So war es denn auch kein Wunder, dass 14 Jahre später, als für die 14. Auflage kein Organisator gefunden werden konnte, die Eidg. Skikommission sich an den TVU wandte, mit der Bitte, doch im Frühjahr 1972 den Eidgenössischen Turnerskitag zu organisieren. Diese Bitte kam im Sommer 1971, und im September, also ein halbes Jahr vor dem Termin sagte die Generalversammlung der Skiriege «ja» zu diesem Anliegen. Für einen «normalen Verein» wäre eine so kurzfristige Übernahme sicher ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, aber der TVU war eben kein «normaler Verein…» Gerade im Bereich des Skisports hatte die TVU-Skiriege eine grosse Erfahrung im Organisieren von Wettkämpfen aller Art, sei es auf dem Stoos, in Einsiedeln oder auf dem Üetliberg. Und dazu war es jederzeit möglich, genügend Helfer/innen auch aus den anderen Sektionen des Vereins zu rekrutieren. Und mit dem «Power-Trio» Bader – Berger- Regli standen auch die absolut erfahrensten Leute zur Verfügung.
Hauptproblem: Unterkunft-Suche
Für die Organisatoren des 1972er Anlasses (OK-Präsident Hans Bader, Tech. Leiter Henry Benz) waren zudem die Vorarbeiten von 1958 Gold wert, als man am Klingenstock für den Riesenslalom kurzerhand eine Felspassage herausgesprengt hatte, die sogenannte «Hasenpassage», welche verhinderte, dass die Rennstrecke den Skilift kreuzen musste. Und auch die Langlaufstrecke im Gebiet des Frontals war schon gegeben und getestet. Damit bestand die Hauptaufgabe des OKs neben der Helfersuche hauptsächlich darin, für die rund 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die über 100 OK-Helfer/innen auf dem Stoos Unterkünfte zu finden. Das OK-Team des TVU belegte natürlich das Skihaus auf Blüemlisegg bis auf den letzten Platz, und im Gebiet des Dorfes konnten auch die benötigten Betten für die Mitglieder der rund 80 Mannschaften gefunden werden, Massenlager natürlich inklusive…
Die Rennen mit TVU-Erfolgen
Die Rennen, die am Sonntag, 5. März durchgeführt wurden, brachten dem TVU schöne Erfolge. Zwar musste sich in der 1. Stärkeklasse unsere Mannschaft wie schon in den drei vorangegangenen Austragungen (hinter Einsiedeln) mit dem 2. Rang begnügen, diesmal hinter den alpin sehr starken Fahrern des TV Wasen i.E. Die Untersträssler waren zwar das klar beste Langlauf-Team, aber in der Gesamtwertung reichte es um einige wenige Punkte nicht zum Sieg. Dafür waren aber die TVU-Damen aus der Skiriege mit den Rängen 1 und 3 in der Teamwertung (4er-Teams) überaus erfolgreich, und auch die Einzelsiege gingen dank Silvia Spleiss und Bernhard Regli an den TVU. Dass neben der ganzen Organisationsarbeit trotzdem noch derartige Erfolge möglich waren, verdankten die Aktiven der von Anfang an festgelegten OK-Strategie, welche die stärksten Athletinnen und Athleten von der Organisationsarbeit verschonen wollte, eben um bei diesem Prestigeanlass auch sportliche Erfolge verbuchen zu können.
Eine Weltmeisterin am Start des Riesenslaloms
Es war ein ungemeiner Prestige-Gewinn für das OK, an diesem Turnerskitag eine Skiweltmeisterin am Start zu haben. Die Abfahrts-Weltmeisterin von 1970, Annerösli Zryd, startete im Riesenslalom in der Damenkategorie für den TV Frutigen, so dass die gesamte Teilnehmerschaft sich mit der absoluten Weltspitze messen konnte. Das Ergebnis war gewaltig! Selbst bei den Männern war nur gerade der Sieger knapp schneller als die Weltmeisterin, welche der nächstbesten Frau, die ebenfalls für Frutigen fuhr, nicht weniger als 11 Sekunden abnahm.
Viel Lob und auch ein schönes finanzielles Polster
Die Berichte in den Medien zollten den Organisatoren grosses Lob für die perfekte Arbeit, und die Vereine dankten dem TVU für seine erfolgreichen Bemühungen, den Anlass nicht zu teuer werden zu lassen, denn später im Jahr stand ja auch noch das Eidgenössische Turnfest auf dem Programm, und dort würden die Vereinskassen dann in einem wesentlich grösseren Umfang belastet werden. Trotzdem schaute für die Skiriege am Schluss dann doch noch ein finanzieller Gewinn von rund 3000 Franken heraus, was etwa dem Gegenwert von einem halben Dutzend damaliger Zeitungssammelaktionen entsprach…
Ein neuer sportlicher Höhenflug vor dem endgültigen Absturz
Sportlich und organisatorisch bildete dieser Höhepunkt vor 50 Jahren im Skiriegen-Palmares den Anfang einer neuen starken Phase des TVU, die sich vor allem in vielen Langlauf-Erfolgen zeigte, die bis in die Achtzigerjahre hinein anhielten. Der Niedergang liess sich aber später nicht aufhalten, als die vielen Langlauf-Loipen in der Schweiz die Mitgliedschaft in einem Skiclub nicht mehr nötig machten, um sein Hobby auszuüben, und die immer stärker bemerkbare Schneearmut im Unterland tat ein Übriges dazu, der TVU-Skiriege die Basis zu entziehen. Der Verkauf des Skihauses auf dem Stoos 1986 war nur ein erster herber Schlag für das Vereinsleben der Skiriege, dem dann wegen permanentem Mitgliederschwund dreissig Jahre später das endgültige Aus folgte. Aber der Geist der ehemaligen Skiriege konnte mit der Eingliederung der übriggebliebenen Mitglieder in den TVU 60plus im Kreis des TVU wenigstens erhalten werden.
Peter Tobler
(mit Dank an die Informations- und Foto-Lieferanten Ernst Berger, Hansruedi Hogg, Bernhard Regli und Roland Winterberger)