Nachruf für Sepp Benz

Der Bob-Olympiasieger von 1980 verstarb, knapp 77jährig, an einer Infektion mit dem Corona-Virus.

Wir trauern um Sepp Benz (20.5.1944 – 5.2.2021)
Kaum hatten wir uns im TVU über die Jahreswende mit dem Tod unserer beiden ältesten Mitglieder abgefunden, da kam bereits die nächste Schreckensmeldung: Sepp Benz liegt mit einer Corona-Erkrankung im Koma. Das Entsetzen war gross, aber gerade weil man Sepp als grossen Kämpfer kannte, blieb die Hoffnung, das Koma sei eine medizinische Hilfe, um die Chancen einer Genesung zu verbessern. Es hat nicht sollen sein, denn eine Woche später kam dann die traurige und entmutigende Nachricht, dass Sepp den Kampf gegen Corona verloren habe und am 5. Februar gestorben sei. Es blieb nur noch ein ungläubiges Kopfschütteln. Wenn einer, der noch vor kurzem so gesund, stark und unternehmungslustig war, im Alter von knapp 77 Jahren dem tödlichen Virus zum Opfer fallen konnte, dann ist Corona endgültig im TVU angekommen. Covid-19 hat plötzlich bei uns ein Gesicht bekommen.
Im Namen der TVU-Familie drücken wir seiner Partnerin Yvonne und allen seinen Angehörigen, Verwandten und Freunden unser tiefempfundenes Beileid zum herben Verlust aus.

Sepp Benz (sein voller Name Josef wurde gar nie in Betracht gezogen – er war der Sepp) wuchs in Marbach SG zusammen mit 9 Geschwistern auf einem Landwirtschaftsbetrieb auf. Mit 17 Jahren wanderte er nach Zürich aus, wo er sich zum Postbeamten ausbilden liess und später lange Jahre in Zürich Höngg als «Pöstler» unterwegs war. In der Freizeit war er ein begnadeter Zeichner und Bastler, und er war einer, der bis zu seinem Tod stets den Drang verspürte, noch weiter zu lernen und sich und seine Umgebung mit immer neuen Ideen weiter zu perfektionieren. Er war ein engagierter zweifacher Grossvater, und im Alter kam er seiner Jugendzeit wieder näher, als er in Weinigen ein grosses Grundstück mit einer «Datscha», Obstbäumen und einem offenen Ausblick in die Alpen bewirtschaftete und daraus stets Erholung und neue Kraft gewann, nicht zuletzt, um einer weiteren Leidenschaft zu frönen, dem Wandern, wo er mit seiner Partnerin und mit Freunden fast wöchentlich unterwegs war.

Dass Sepp Benz aber weltweit auf positive Art bekannt wurde, hatte jedoch nichts mit dem Familienleben, sondern mit seinen sportlichen Erfolgen zu tun, und daran war der TVU massgeblich beteiligt. Im Alter von 22 Jahren trat Sepp Benz den Leichtathleten des TVU bei und wurde erst einmal von Max Tobler in seine Sprintergruppe integriert. Da Sepp aber kein speziell talentierter Sprinter war und die 11 Sekunden höchstens mit guter Windunterstützung unterbieten konnte, sah er sich auch nach weiteren Betätigungsfeldern um und fand schon früh Unterschlupf bei den im TVU sehr starken Mehrkämpfern. Das kam seiner Vielseitigkeit sehr entgegen, und mit Resultaten bis zu 6500 Punkten war er ein durchaus erfolgreicher Zehnkämpfer, der an manchem Turnfest oder Leichtathletiktag mit einem Oliven-Kranz ausgezeichnet wurde.

Anfang der Siebzigerjahre lernte Sepp auf dem Sihlhölzli auch die Gebrüder Schärer kennen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits als Besatzung im «Stadler-Bob» verschiedene WM-Medaillen geholt hatten. Als sich dann 1973 Erich und Peter als Bobfahrer selbständig machten und sofort Erfolge feierten, «reservierte» sich Erich den Sepp schon einmal mit dem Versprechen «Sobald ich einen Viererbob fahre, brauche ich dich als Anschieber!». 1974 war es dann so weit, und das Bob-Märchen Schärer – Benz begann. Bereits ein Jahr später sass Sepp in Erichs Vierer und half beim Gewinn der WM-Goldmedaille in Cervinia kräftig mit. 

Danach wurde er auch zum Standard-Bremser im Zweier, und die erfolgreiche Medaillenjagd konnte beginnen. Mit dem Höhepunkt 1980 in Lake Placid, wo das Duo Erich Schärer- Sepp Benz Olympiagold im Zweierbob und Silber im Viererbob holte, gewannen sie zwischen 1975 und 1981 genau ein Dutzend WM- oder Olympiamedaillen, oder anders ausgedrückt, bei jedem Wettbewerb, bei dem sie starteten, schaute eine Medaille heraus. Ein einmaliger Beweis ihrer Klasse! Das Duo Schärer / Benz wurde Schweiz-weit zu einem Symbol für Erfolg, dank einer erfolgreichen Symbiose zweier Willens-Menschen, jeder mit einem «eigenen Kopf» und mit Ecken und Kanten, die sich in entscheidenden Momenten immer wieder zusammenrauften und dem Erfolg alles unterordneten.

Erich Schärer drückte es in einem Rückblick folgendermassen aus: «Sepp und ich ergänzten uns perfekt. Er war für das Material und den Schlitten zuständig, und ich kümmerte mich um die Bahn und die Linienwahl. Wir verfolgten unsere Ziele mit grosser Akribie und Gradlinigkeit. Auf Sepp war Verlass – immer und überall!»

Man nannte Sepp schon bald den «schnellsten Pöstler» oder den «Bremser der Nation», was natürlich purer Unsinn war, denn die Bremse im Bob berührte er frühestens nach der Zieldurchfahrt… Aber die internationalen Erfolge der beiden beruhten nicht zuletzt auf der Tatsache, dass in ihrem Bob zum ersten Mal der Pilot und der Anschieber etwa gleich stark waren, so dass sie vor allem im Zweierbob die Konkurrenz am Start meistens in Grund und Boden liefen.

Typisch für Sepp war auch sein Rücktritt! Gemäss Erich stieg Sepp an der WM 1983 in Cortina nach der letzten Fahrt aus dem Schlitten und sagte ohne Vorankündigung: «Das war’s! Jetzt höre ich auf!»

Aber er blieb dem Sport mit den schnellen Kufen in der Eisbahn treu. Zuerst half er seinem Freund Werner Amstutz als Athletiktrainer für den Bobnachwuchs, und einige Zeit später wandte er sein Interesse dem Rodelsport zu, also dem Wettbewerb mit den Rennschlitten. Dabei brachte er sich mit seinen Kenntnissen und Ideen sowohl im Schweizer-, als auch im Internationalen Rodelverband nachdrücklich ein und prägte mit nötigen Änderungen und neuen Wettbewerbsformen die ganze Sportart bis in die Gegenwart. Er war noch daran beteiligt, den diesjährigen Weltcupfinal vor einem Corona-Aus zu retten und kurzfristig nach St. Moritz zu verlegen, doch das Erlebnis im Engadin blieb ihm verwehrt. Es reichte gerade noch für eine Trauerminute bei der Eröffnung für den am Vortag verstorbenen hochrangigen Funktionär und Freund des Rodelsports Sepp Benz.

Im TVU weist Sepps Vereinspräsenz eine grössere Lücke auf, da nach seinem Rücktritt vom aktiven Sport seine Mitgliedschaft bei den Leichtathleten erlosch. Aber mit seinen Leichtathletikkameraden hielt er nach wie vor guten Kontakt, insbesondere im Kreis der ehemaligen Mehrkämpfer.
Es brauchte das TVU-Jubiläumsjahr 2014 (150 Jahre), um Sepp wieder in die Mitgliederliste des TVU zu integrieren. Seine Kollegen nahmen ihn als Gast an den Jahresschlusshock des TVU 60plus mit, und noch am Hock selber gab er seinen Beitritt zu den TVU-Oldies, denen er zwei Jahre später auch noch seine Freunde vom Bobclub Zürichsee, Werner Amstutz und die Gebrüder Peter und Erich Schärer zuführte. Damit war im TVU 60plus nun das Olympiasieger-Duo von 1980 wieder komplett und der Stolz der Mitglieder entsprechend gross.
Leider endete nun aber die Mitgliedschaft von Sepp Benz, der sich bei unsern Anlässen, im Kreise seiner Kameraden immer sehr wohl fühlte und das auch zeigte, auf diese tragische Weise. Wir werden Sepp als einen lieben Freund schmerzlich vermissen, aber die Erinnerungen an viele gemeinsame Erlebnisse bleiben uns wenigstens erhalten.

Peter Tobler

 

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