Nachruf für Ehrenmitglied Bruno Galliker

Ehrenmitglied Bruno Galliker ist am Mittwoch, 27. Mai 2020 im 89. Altersjahr gestorben. Mit ihm verliert der TVU eines seiner bekanntesten und erfolgreichsten Mitglieder.

Wir trauern um Ehrenmitglied Bruno Galliker
(29.12.1931 – 27.5.2020)

Bruno Galliker ist tot – der Schock sitzt tief! Der Bewegungsmensch Bruno, der auch im hohen Alter noch regelmässig beim Joggen oder Velofahren angetroffen werden konnte, ist ausgerechnet seinem ausgeprägten Bewegungsdrang zum Opfer gefallen.
Seit etwa drei, vier Jahren war bei Bruno eine stets stärker werdende Demenz festgestellt worden, welche schon bis ins Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung reichte. Aber trotz den geistig abnehmenden Fähigkeiten war Bruno körperlich noch gut im Strumpf und war regelmässig als Jogger in der Nähe seines Alterswohnheims unterwegs. Die Unmöglichkeit, während den Corona-Einschränkungen das Haus zu verlassen, führten bei Bruno zu einer immer grösseren körperlichen Unsicherheit, die schliesslich in einem unglücklichen Sturz endete, dessen schwerwiegende Folgen auch mit ärztlicher Kunst nicht mehr zu retten waren.
Am späten Nachmittag des 27. Mai 2020 hörte das Herz des grossartigen Sportlers, absolut integren Sportjournalisten und gütigen und freundlichen Menschen Bruno Galliker auf zu schlagen. Der Verlust auf allen Ebenen ist immens. Der Zentralvorstand des TVU, der Vorstand und die Mitglieder des TVU 60plus entbieten den hinterbliebenen Angehörigen, seiner Frau Janine, seinem Sohn und den beiden Töchtern mit ihren Familien das tief empfundene Beileid und wünschen ihnen viel Kraft zur Bewältigung der anfallenden Trauerarbeit.

Eine aussergewöhnliche Persönlichkeit
Bruno Galliker war im TVU eine aussergewöhnliche Persönlichkeit und das national und international wohl bekannteste und erfolgreichste Mitglied unseres Vereins. Dabei erstreckte sich seine sportliche Karriere über rund ein Jahrzehnt, und die Verbindung zum TVU blieb auch in den folgenden 30 Jahren als Sportjournalist sehr eng und freundschaftlich. Nach seiner Pensionierung hatte Bruno dann auch ausgiebig Gelegenheit, sich bei den Veteranen und später im TVU 60plus mit seinen alten Kameraden zu treffen und neue Freunde zu gewinnen. Auch im TVU wird sein Tod eine grosse Lücke aufreissen.

Eine steile sportliche Karriere
Bruno Galliker wuchs im Kanton Luzern auf und kam beim Bürgerturnverein Luzern mit der Leichtathletik in Kontakt. Er entwickelte sich schon bald zu einem Ausnahmeathleten, der international 1958 bei den Leichtathletik-Europameisterschaften mit der Broncemedaille über 400m Hürden erstmals für Aufsehen sorgte. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung und verschiedenen Auslandaufenthalten verbrachte er 1959 ein Jahr im Welschland und setzte dort seine Karriere beim SFG Vallorbe fort. Er hätte aber gerade so gut Fussballer werden können, denn er hatte neben seiner Schnelligkeit auch ein sicheres Ballgefühl und eine gute Technik, um auch dort Karriere machen zu können. Zum Glück für die Schweizer Leichtathletik und besonders für den TVU entschied sich Bruno aber für die Einzelsportart. Nach seinem Welschland-Jahr trat Bruno eine neue Stelle beim Automobilclub der Schweiz ACS in Zürich an, und als Turner-Leichtathlet war es fast normal, dass er beim Turnverein Unter­strass in der damaligen Leichtathletiksektion eine neue Heimat fand. Mit Max Tobler, dem «Mister TVU» bei den Leichtathleten erhielt er dabei einen aufopfernden Förderer, der sich zusammen mit dem Verbandstrainer des ELAV Otto Misangy intensiv um die sportliche Fortsetzung seiner so gut angelaufenen Karriere sorgte. Zudem waren in jener Zeit eine grosse Zahl von TVU-Läufern von den Sprint- bis zu den Langstreckendistanzen mit nationaler und internationaler Klasse im Trainingsbetrieb vereint und sorgten für eine sehr animierte und leistungsfördernde Ambiance, von der Bruno von allem Anfang an profitieren konnte.

Nach seinem Eintritt in den TVU am 14. Januar 1960 dauerte es noch ein knappes halbes Jahr bis zu den Olympischen Spielen in Rom, die zum Höhepunkt in seiner Karriere werden sollten. Zusammen mit Sebald Schnellmann (200m) und Walter Kammermann (3000m Steeple) qualifizierte sich Bruno mit seinen Leistungen und Schweizerrekorden über 400m Hürden für die Olympiateilnahme. Ein TVU-Trio bei Olympia, das hatte es vorher und auch später nie mehr gegeben. Der Verlauf der Wettkämpfe in Rom ist im unten aufgeführten Rückspiegel nachzulesen. Das erfreuliche Fazit eines sechsten Finalrangs, als wiederum drittbester Europäer, war für Bruno der athletische und mentale Höhepunkt seiner erfolgreichen Karriere, welcher durch die Wahl zum Schweizer «Sportler des Jahres» auch von den Schweizer Sportjournalisten honoriert wurde. Das war in einem Jahr mit zwei Ski-Olympiasiegen ein Gütesiegel erster Ordnung. Es vermochte bei Bruno die grosse Enttäuschung seiner Ausbootung bei Olympia aus der 4x400m-Staffel einigermassen wettzumachen. Er war eben im «falschen Verband», denn in den Sechzigerjahre tobte der Kleinkrieg zwischen den beiden Schweizer Leichtathletik-Verbänden SALV (mit der internationalen Lizenz und damit mit der Selektionshoheit) und dem ELAV (mit den finanziellen Mitteln des ETV im Rücken, aber ohne internationales und nationales Gewicht) mit besonderer Härte.
Dafür durfte Bruno dann zwei Jahre später bei den nächsten Europameisterschaften in Belgrad mit der 4x400m-Staffel seine zweite EM-Broncemedaille gewinnen, in einer Staffel, in der mit Jean-Louis Descloux ein zweiter Untersträssler mitlief. Auch das war einmalig.
Auf nationaler Ebene war Bruno auf der 400m Hürdenstrecke, welche man wegen ihren Anforderungen an das Stehvermögen, die Kraft, die Technik und das Rhythmusgefühl auch die «Galeere der Leichtathletik» nennt, während fast einem Jahrzehnt das Mass aller Dinge mit 7 Meistertiteln und 8 Rekorden.

Zudem war er für den TVU im prestige­-trächtigen Kampf um die Krone in der Schweizer Vereinsmeisterschaft SVM stets ein hervorragendes Zugpferd und ein zuverlässiger Punktelieferant. So gesehen war jener verregnete Sonntag am 6. September 1964 in Aarau ein weiterer emotionaler Höhepunkt in Brunos Karriere, als es dem TVU bei den Männern zum ersten und bisher einzigen Sieg im Final der Kategorie A reichte, nicht zuletzt weil Bruno mit seinen Superleistungen über 400m und 400m Hürden einen wesentlichen Anteil zum grossen Triumph beisteuerte.
Als Bruno Galliker am Ende des Jahres 1964 seine grossartige Karriere beendete, blieb er dem TVU weiterhin treu. Er trat auch in den beiden folgenden Jahren ohne grosses Training nochmals mit der SVM-Mannschaft an, dem TVU zuliebe, und lieferte immer noch sehr respektable Resultate

Als Radioreporter weiterhin mit der Leichtathletik verbunden.

Aber auch beruflich blieb Bruno mit dem Sport aufs engste verbunden. Schon während seiner Zeit beim ACS kam Bruno Galliker mit Radio Beromünster näher in Kontakt, und zwar in Sepp Rengglis legendärer Morgensendung «Autoradio Schweiz». Renggli, der Galliker natürlich vom Sport her kannte, liess sich von ihm für seine Sendung jeweils die wichtigen Informationen des ACS zum Strassenzustand und möglichen Verkehrsbeschränkungen direkt live in die Sendung liefern. Dabei entdeckte er Brunos Flair für die Sprache und für die wichtigen Zusammenhänge, und er lotste ihn als Sportreporter zum Radio. Zunächst als freier, und schon bald als fest angestellter Radio-Mitarbeiter. Über die sportlichen Kenntnisse in Leichtathletik und nordischem Skisport brauchte sich Renggli keine Sorgen zu machen, und das übrige Rüstzeug holte sich Bruno, wie es damals üblich war, mit «learning by doing», also durch praktische Erfahrung, oder wie man auch sagte: «Lernen durch Versuch und Irrtum…»

Als optimistischer und positiv eingestellter Mensch startete Bruno seine Reporterkarriere in den Siebzigerjahren in einer Sportwelt, die sich noch in den rosigsten Zügen darstellte. Die rasante Leistungsexplosion, gerade in der Leichtathletik hatte noch keinen faden Nebengeschmack, und die Athletinnen und Athleten, von denen Bruno noch die meisten aus seiner Wettkampfzeit kannte, hatten in ihm einen begeisterten Fürsprecher. Er konnte deren Leistungen aus eigener Erfahrung sehr genau analysieren und den Wert einschätzen, und er wusste auch, worauf man bei Interviews zu achten hatte, um sein Gegenüber zum Sprechen zu bringen. Neben seiner redaktionellen Arbeit im Studio reiste Bruno in jener Zeit sehr viel in der Welt herum, denn das Schweizer Radio setzte der immer mächtiger werdenden Konkurrenz durch das Fernsehen, bei allen wichtigen Veranstaltungen die eigene Präsenz vor Ort entgegen und lieferte die Stimmen mit Schweizer Bezug oder von internationalen Stars den Hörern ohne Zeitverzögerung frei Haus. Im Sommer reiste Bruno den Leichtathleten nach, die damals noch mit Länderkämpfen oder Europacup-Anlässen sehr viele internationale Wettbewerbe auf dem Programm hatten, wo die gesamten Schweizer Nationalmannschaften beisammen waren. Und da in diesem Auswahlteams immer eine grosse Anzahl Untersträssler und später Untersträsslerinnen vertreten waren, kam sich Bruno doppelt heimisch vor. Im Winter war dann der begeisterte Langläufer Galliker mit den nordischen Skiteams unterwegs. Dort fehlte allerdings, zumindest bei internationalen Wettkämpfen, meistens der Bezug zum TVU, denn als «Städter» hatten die Untersträssler Langläufer/innen nur vereinzelte Chancen für eine Teilnahme an internationalen Wettkämpfen.

Als dann in den Achtzigerjahren die einsetzende Professionalisierung des Sports auch die negativen Auswüchse, gerade in der Leichtathletik und in der Ausdauersportart Langlauf in Form von zunehmendem Dopingmissbrauch manifestierte, brach auch für Bruno die «heile Welt des Sports» Stück für Stück zusammen, obwohl er sich lange daran klammerte, dass solche Missbräuche im internationalen Sport Einzelfälle sein müssten und seine Schweizer Sportfreunde damit sicher nichts zu tun haben könnten. Als in den Neunzigerjahren dann die endgültigen Belege dafür auftauchten, dass die Welt des Sports am Ende des 20. Jahrhunderts nichts mehr mit jener Sportwelt zu tun hatte, welche er selbst noch so ausgiebig genossen hatte, da kam ihm seine Pensionierung 1996 gerade recht, denn nun musste er sich nie mehr offiziell zu den von ihm verabscheuten Praktiken der Athleten und Funktionäre äussern. Wenn er nun seine Meinung kundtat, blieb das Mikrofon geschlossen.

Nun da Brunos Stimme endgültig verstummt ist, werden wir seine pointierte Meinung je länger je mehr vermissen, und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass viele seiner Reportagen, Interviews und Kommentare als Tondokumente ihn noch lange Zeit überdauern werden. Tondokumente ersetzen den Menschen Bruno Galliker eben niemals auch nur annähernd.

Peter Tobler

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