Der Buddler Club – ein Farbtupfer im TVU mit leichtem Nachgeschmack

Vor 65 Jahren gründeten die TVU-Kunstturner den Buddler Club.

pt) Der Buddler Club war in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts während Jahrzehnten im TVU ein etwas mystifizierter Begriff, der den Aussenstehenden einen eher skurrilen Eindruck vermittelte. Dabei war der Grundgedanke der von den Kunstturnern getragenen Institution die Jugendförderung und -unterstützung im TVU auf allen Gebieten. Allerdings vermittelt der Ausdruck «Buddler-Feste» heute vielen ehemaligen Mitgliedern rückblickend einen leicht faden Nachgeschmack, getränkt mit reichlich Alkohol…

Der vor 65 Jahren gegründete Club erreichte jedenfalls das Pensionsalter nicht, sondern wurde im Jahre 2003 in Frühpension geschickt.

Grundgedanke: Förderung der Jugend im TVU
Die Idee entstand Anfangs Dezember 1956 am Männerriegen-Chränzli im Restaurant Landhaus in Seebach, morgens um drei Uhr. Die dort versammelten Kunstturner, die wie üblich, mit verschiedenen Turn- und Unterhaltungsnummern den Männerrieglern ausgeholfen hatten, beschlossen, den Jugendrieglern des TVU ihre Unterstützung in finanzieller und ideeller Hinsicht zu gewähren, nicht zuletzt, um ihnen den Verbleib im TVU auch nach der Jugi-Zeit schmackhaft zu machen. Dazu wollte man einen inoffiziellen Club innerhalb des TVU betreiben, der vor allem auch dem gemeinsamen, gesellschaftlichen Leben der Beteiligten dienen sollte. Offizielle Beiträge gab es nicht. Die Kasse wurde mit freiwilligen Spenden der Mitglieder und ausgesuchten Geldbeschaffungsaktionen bei speziellen Gelegenheiten gefüllt. Die Mitglieder trafen sich einmal im Monat nach dem Turnbetrieb im Restaurant Zukunft zu einer Versammlung, wo klar bestimmte Regeln eingehalten wurden und das Bier meist in Strömen floss.

Am Anfang Stand der Name «Buddler»
Schon zusammen mit der Idee kam auch der Name des Clubs aufs Tapet. Die beiden «Hardcore-Berner Oberländer» Hausi Winterberger und Franz Fuhrer brachten das Wort «buddlen» ins Gespräch, was im Oberländer-Dialekt so viel wie «trinken» hiess. Buddle, das Wort für Flasche verstand man aber auch in der übrigen Schweiz, hergeleitet vom englischen Wort «bottle», welches in der Tourismusregion Interlaken schon früh adaptiert worden war.

Damit war der Begriff «Buddler Club» geboren und wurde sogleich akzeptiert. Das Wort hatte einen durchaus weltmännischen Klang und wurde immer wieder auch mit dem englischen Slang «Böddler» falsch ausgesprochen. Buddler war mit «u» nämlich typisch schweizerisch auszusprechen. So viel Dünkel musste schon sein…

Aufgeblasene Statuten und spezielle Regeln bei den Versammlungen
Das gesamte Clubleben war ein einziges Augenzwinkern. Man wollte sich nicht zu ernst nehmen und trotzdem von Anfang an gleich eine «lange Tradition» vorlegen.
Schon zwei Monate nach der Geburt der Idee wurde am 31. Januar 1957 die Gründungsversammlung im Restaurant Zukunft durchgeführt. Dort wurden Statuten vorgelegt, welche auf drei Seiten jede Menge Sinn und Unsinn festlegten, welche zu befolgen waren. Der Zweck-Paragraf gibt dafür ein gutes Beispiel:
§ 1 Zweck des Clubs
Der Club soll die Geselligkeit fördern, bei angemessenem Genuss von Bier oder andern Getränken, trinkfeste Mitglieder heranbilden und dieselben zu Kameraden und geistreichen Humoristen erziehen.

Dass man das alles nicht ernst nehmen konnte, gehörte natürlich auch zum leicht schiefen und eher geheimnisvollen Bild, welches der Buddler Club abgeben wollte. Und dieses Bild wurde in den Buddler-Versammlungen auch gefördert. Dort hatte der «Speaker» die absolute Herrschaft inne. Er wurde von Anfang bis Schluss von Fredy Honegger magistral gespielt, und nur er durfte ohne spezielle Vorgabe sprechen. Jeder andere musste sich jedes Mal mit der Formel «Herr Präsidänt, wärti Kamerade, pfrrr, bsetzt» anmelden und sich vom Speaker die Sprecherlaubnis geben lassen. Ob dann etwas Sinnvolles, Unsinniges oder Traditionelles herauskam, war nebensächlich. Entscheidend war, was der Speaker daraus machte. Der konnte schon einmal zur Strafe das Austrinken des Bierglases verlangen oder eine andere Sühne, die man am ehesten noch von Kindergeburtstagen her kennt…

Traditionelle Aufgaben gab es auch. So hatte etwa Fons Kümin jahrelang die Aufgabe bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit zu sagen «Ich schlüsse mich de Wort vo mim Vorredner a!»

Dass bei solchen Sitzungen keine Frauen anwesend waren, erstaunt nicht, obwohl der Buddler Club durchaus Frauen als «zugewandte Orte» verzeichnete – auf der dienenden Seite natürlich. Ruth Gutknecht schrieb die Protokolle nach den Angaben ihres späteren Ehemannes Heinz Reiser, dem ersten Präsidenten des Clubs, und Rosmarie Honegger, die Frau von Speaker Fredy, war Hilfsarchivarin, die den Archivar Max Tüscher zu überwachen hatte. Dabei bestand das Archiv aus drei oder vier Sex-Magazinen, welche eine Gruppe von Buddlern einst von einem Besuch in Paris mitgebracht hatte.

Zu den wichtigen Traditionen gehörten die Taufen von Neumitgliedern, welche um Aufnahme in den Buddler Club nachsuchten und dafür auch als «würdig» empfohlen wurden. Diese ebenfalls sehr bierselige und feuchte Zeremonie ging so etwa einmal im Jahr an einer Versammlung oder an einem anderen Fest über die Bühne. Dieses Prozedere wurde an dieser Stelle schon im November 2021 unter dem Titel «Bericht vom Buddler-Fest» erzählt.

Starke und positive Auswirkungen im TVU

Bühnenkünstler an vielen TVU-Chränzli

Beim Buddler Club blieben zwar diese «Auswüchse» besser in Erinnerung als die vielen guten und wirkungsvollen Auftritte, die den Club vor allem prägten. Von der erfolgreichen Jugendförderung im Verein war schon eingangs die Rede. Aber noch grösseren Einfluss hatte der Einsatz der Buddler bei den verschiedenen TVU-Veranstaltungen als Helfer und Mitwirkende. Die Abendunterhaltungen «TVU-Chränzli» wären ohne die Buddler eher «graue Veranstaltungen» geblieben, denn die meisten der humoristischen oder tänzerischen Glanznummern kamen von Buddlerseite her und hinterliessen jeweils beim Publikum einen begeisterten Eindruck. «Babysitter-Boogie», «Schnörregiigeler», «Modell 1910», «Buddler-Dancers», das sind Begriffe, die man heute noch präsent hat, und die vielfach zu Beifallsstürmen führten.

Aber auch in der TVU Turnfest-Sektion oder in den Vorständen des TVU waren Buddler-Mitglieder meist in führenden Positionen anzutreffen. Die Verantwortung für unseren Verein zu übernehmen, wurde nie gescheut. Das «Erziehen zu Kameraden und geistreichen Humoristen» aus dem Zweck-Paragrafen wurde dabei wirklich ernst genommen.

Mit zunehmendem Alter schwanden die Aktivitäten
Der Buddler Club wurde älter und parallel dazu auch die Mitglieder. Das brachte es mit sich, dass im Lauf der Jahre auch die Lust nach bierseligen Aktivitäten langsam abnahm. Im März 1988 scheiterte der Versuch, die Statuten des Buddler Clubs zu entstauben und etwas moderner zu gestalten, an der Unlust vieler Mitglieder, weiterhin an solchen «orgiastischen» Versammlungen mitzumachen, und es gab danach verschiedene Austritte aus dem Club.

So verblieben gegen Ende des Jahrhunderts noch ab und zu ein Älpler-Zmorge in Habkern, ein Zweitage-Anlass, an dem auch Familienmitglieder der Buddler dabei sein konnten. Es gab zwar dabei auch Sitzungen, aber in den Protokollen waren kaum mehr Trinkgelage das Hauptthema, sondern die Tatsache, dass einzelne Mitglieder vom Schlaf übermannt wurden… (Namen der Redaktion bekannt!). Ebenfalls in Habkern trafen sich oft fast ein Dutzend Buddler mit ihren Familien zu gemeinsamen Winterferien in einem wirklich freundschaftlichen Umfeld.

Dazu kam, dass am Anfang der 2000er Jahre die TVU-Jugendriege aufgelöst wurde und die jungen Kunstturner ihre zum Teil sehr erfolgreichen Karrieren ebenfalls beendet hatten, womit der ursprüngliche Zweck der Jugendförderung verloren ging.

So beschloss man dann im Jahre 2003, nach 46 Jahren Buddler Club, diese Institution aufzulösen und dem Buddler-Leben «Adieu» zu sagen, Gesichert war dabei, dass zumindest der Kontakt zwischen den Mitgliedern nicht verloren gehen würde, da man sich ja in der Veteranengruppe weiterhin treffen konnte. Diese TVU-Gruppierung hatte in den vergangenen Jahren einen grossen Schritt vom bisherigen «Veteranen-Mief» zu einem lebendigen Treffpunkt der TVU-Senioren gemacht, wo die Kameradschaftspflege einen sehr grossen Stellenwert hatte.

Abschied vom Buddler Club
Die letzte Buddler-Generalversammlung am 31. Oktober 2003 in der Waldhütte Maur stand ganz im Zeichen der Nostalgie. Fons Kümin, der letzte Präsident, der die Buddlerfahne lange Zeit noch hochgehalten hatte, lud zu einem Fondue-Abend mit der Buddler-Schluss-Sitzung…

Vor dem Vergnügen stand allerdings noch die Arbeit bevor, und die hiess «Abschied nehmen vom Namen «Buddler» samt den dazugehörenden Statuten». Die GV stimmte dem Auflösungs-Antrag einstimmig zu und beschloss, den Anteilschein am Kutu-Zentrum Rümlang von 1500 Franken dem TVU zu übereignen. Nach dem von Peter Zingg humorvoll vorgetragenen Kassen- und Revisionsbericht beschloss man, die Kasse weiterzuführen, und den Inhalt bei sinnvollen Gelegenheiten zu Gunsten der bisherigen Mitglieder einzusetzen. Dabei gelang es z.B. in der Folge, den Älpler-Zmorge, von Familie Winterberger jeweils mustergültig organisiert, in die Aktivitäten der Veteranengruppe hinüberzuretten. Das Protokoll der letzten GV hatte Vizepräsident Christian Kohli in Versform geschrieben und erntete damit freudige Zustimmung. Danach schloss man die Zeit des Buddler Clubs endgültig ab..

Die manchmal eher wilde Vergangenheit der frühen Buddlerzeit wich einer Gegenwart in altersgerechter «Seriosität» mit einem Blick in eine weiterhin humorvolle und kameradschaftliche Zukunft im Umfeld der in Ehren ergrauten TVU-Pensionäre.

Beim Fondue wurde dann der Wechsel vom banalen Bier zum distinguierten Weisswein gut sichtbar vollzogen. Der Buddler Club war endgültig Geschichte.

Peter Tobler

Weitere Berichte über den Buddler Club:
Bericht vom Buddler-Fest
– Das kurze Leben der Buddler-Band

Peter Zingg, Buddler-Revisor auf Lebenszeit, erinnert sich

Im Juni 1990 nahm ich zum ersten Mal an einer GV des Buddler Clubs TV Unterstrass in der Waldhütte Schönbüel teil. Wie immer ging es mit zunehmender Dauer immer lustiger und, infolge des grossen Bierkonsums, auch «biogasmässig» recht intensiv zu.
Es war schon einige Zeit nach Mitternacht, als man mich bei den «Wahlen» überraschend zum Revisor vorschlug. Ich wurde einstimmig gewählt, und zwar auf Lebenszeit! Hausi Winterberger, der langjährige Kassier, drückte mir gleich danach das Kassabuch, Bargeld, ein Sparbuch und einige unsortierte Belege in die Hand. Trotz vorgerückter Stunde, ausgelassener Stimmung und einiger anderer Einschränkungen konnte ich Papier und Bleistift auftreiben, die Revision gleich durchführen und den Revisorenbericht verfassen. Er wurde umgehend von den Anwesenden ohne Gegenstimme abgenommen.

In den folgenden Jahren bis zur Auflösung des Buddler Clubs im Jahre 2003 erlebte ich anlässlich der Revisionen bei Winterbergers immer wieder lustige Momente, die ich im jeweilen Revisionsbericht mit einer Prise Humor dokumentierte und es auch in diesem Bericht wieder tue.
Die Art und Weise, wie Hausi die Buchhaltung führte und die Belege aufbewahrte, gab mir immer Stoff für den Revisionsbericht und die Gelegenheit, Hausi etwas auf den Arm zu nehmen. Er hat es jeweils schmunzelnd zur Kenntnis genommen.
So bewahrte Hausi zunächst Belege unsortiert in diversen Mäppchen, Couverts in verschiedenen Farben und Büchlein auf. Bargeld befand sich unsortiert in einer mit «Höngger Trauben Schachtel» der Confiserie Steiner beschrifteten Schachtel. In einer anderen Schachtel befand sich beispielsweise auch der erste, von Fredy Honegger und Max Tüscher verfasste «Revisionsbericht» aus dem Jahre 1957. Er lautete kurz und bündig «Gasometerstand abgenommen und für gut befunden»! Ich bin nicht mehr sicher, ob das auf einem Bierdeckel gestanden hatte.
Nach vielen Jahren war dann einmal die letzte Seite des ersten, aus dem Jahre 1957 stammenden Kassabüchleins vollgeschrieben. Hausi hatte jedoch strategisch vorausschauend vorgesorgt: Im Brockenhaus hatte er ein unbenutztes Kassabuch aus dem Jahre 1941 (kein Witz!) gefunden, welches fortan die Grundlage für die Dokumentation seiner komplexen Finanztransaktionen bildete. Beim Kassabuch war anfangs nicht klar, bei welchen Beträgen es sich um Ausgaben bzw. Einnahmen handelte. Der Revisor musste dies anhand der Belege und mit Unterstützung von Hausi rekonstruieren. Auf alle Fälle stimmte letztlich die «Buchhaltung» immer, und ich konnte der GV «Genehmigung der Rechnung» empfehlen. Allen Überredungskünsten seiner Ehefrau Leni und mir zum Trotz konnten wir Hausi nie überzeugen, die komplexe Buchhaltung fortan mit einem PC zu erledigen.
In den letzten Jahren wurden dann Bargeld, Belege, alten Revisionsberichte und die buddlerschen GV-Protokolle in einem in schwarzem Leder gehaltenen, innen wie aussen gepolsterten, ehemaligen Besteckkoffer der Firma Solingen aufbewahrt. Das vermittelte natürlich einen gediegenen Eindruck und erleichterte mir die Revision, da nun alle wesentlichen Elemente wenigstens an einem Ort beisammen waren.
Dies und mehr kann man in den Revisionsberichten der «Tranksamologymnastischen Gesellschaft» – so die Bezeichnung des Buddler Clubs in den neu verfassten Statuten («die 12 Gebote») vom 26. März 1988 nachlesen. Die Statuten waren von Hausi in humoristischer Gedichtform verfasst worden. Sie wurden allerdings nie angenommen…
Peter Zingg

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