Die Sommermonate Juni bis August 2021 brachten zwar mit der Fussball Europameisterschaft und den Olympischen Spielen viel «TV-Action» in die heimischen Stuben oder auf die mobilen Empfangsgeräte, aber eine Zierde für unsere heutige Gesellschaft waren sie beileibe nicht.
Beide Anlässe fanden zwar aus Pandemie-Gründen mit einjähriger Verspätung statt, aber niemand konnte je schlüssig erklären, weshalb die Austragung in diesem Jahr, bei der ungefähr gleichen gesundheitspolitischen Ausgangslage wie im Vorjahr, nun plötzlich unbedenklich sein sollte.
Bei der Fussball EM war ja das Prinzip mit einer Meisterschaft in zwölf verschiedenen Ländern, schon vor der Pandemie ein Unsinn erster Klasse gewesen. Bei all den Reiserestriktionen in den vergangenen zwei Jahren, hätte diese Verwirklichung absolut kein Thema mehr sein sollen. Und die Olympischen Spiele in Japan mussten dort gegen erheblichen Widerstand in der Bevölkerung durchgepaukt werden, koste es, was es wolle. Der Grund dafür ist klar! Sowohl die UEFA als auch das IOK als Lizenzinhaber der beiden Anlässe fürchteten natürlich um ihre finanziell sehr einträglichen Pfründe, denn bei einer Absage hätten sie je einige hundert Millionen Franken, die sie von den TV-Gesellschaften schon erhalten hatten, zurückzahlen müssen, und der später fällige Rest sowie die Beiträge der grossen Sponsoren hätten sie dann ohnehin «in den Kamin» schreiben können. «Geld geht vor Gesundheit!» gilt ja bekanntlich nicht nur im Sport, aber gerade dort besonders erdrückend.
Der weltweite Aufschrei in der Öffentlichkeit ob diesem unverantwortlichen Gebaren blieb natürlich aus, denn die Leute waren froh, dass endlich wieder einmal etwas laufen würde, und wenn auch nur daheim am TV-Schirm. Und dass die Medien ebenfalls kein grosses Interesse an der Verteufelung der beiden Grossanlässe hatten, versteht sich von selbst. Immerhin leben sie ja davon. So war es denn auch kein Wunder, dass die Sportjournalisten vielfach nur schon das Antönen von vorhandenen Problemen als lästige Pflicht ansahen und mit der Floskel «So jetzt aber zum eigentlichen Sport!» alsogleich vom Tisch wischten.
Es waren in der Folge dann auch die Sportjournalisten, welche neben den Verbänden und Veranstaltern ebenfalls eine relativ miese Figur machten. Sie haben sich vielerorts schon ziemlich weit von ihrer eigentlichen Aufgabe als einigermassen neutrale Berichterstatter entfernt und führen sich je länger – je mehr als Fans auf, welche nur aus Zufall einen besseren Sitzplatz und ein Mikrofon erhalten haben. Was da (ich spreche jetzt vor allem auch vom Schweizer Fernsehen) an unqualifiziertem Geschrei oder Gestöhn bei Negativerlebnissen über die Sender verbreitet wurde, ist wirklich ein Hohn. Ich brauche als Zuhörer niemanden, der am Sender ausgelassen jubelt oder mit einem «Versager» mitleidet und ihn beweint, oder im Einzelfall beschimpft. Ich hätte gerne jemanden, der das Geschehen richtig einordnet und mich offen orientiert. Aber gerade da haperte es vor allem beim Fussball in besorgniserregendem Masse. Was da an überbewerteten Einschätzungen von Leistungen der Schweizer Nationalmannschaft geliefert wurde, ging «auf keine Kuhhaut», auch wenn man berücksichtigen muss, dass sich in diesem Bereich die Leistungen eben nicht messen lassen, sondern immer auch von der Gegenwehr des Gegners abhängen. Umso wichtiger wäre da eben für die Zuschauer/innen eine realitätsnahe Einschätzung der Journalisten und kein «Gesabber» unter Fans.
Was ebenfalls bei beiden Grossveranstaltungen auf der Strecke blieb, war die objektive Wahrheit.
Sowohl der Europäische Fussballverband als auch das Internationale Olympische Komitee haben nämlich schon vor mehr als einem Jahrzehnt nicht nur die Lizenz der Veranstaltung für sich reserviert, sondern auch gleich noch das Recht am Bild. Das heisst, dass die TV-Bilder nicht mehr von den nationalen Host-Broadcastern (Nationale TV-Anstalten) produziert werden, sondern vom Verband selber, der dann natürlich peinlich genau darauf achtet, dass nichts, was einen Schatten auf die Veranstaltung werfen könnte, am Fernsehgerät zu sehen ist. Wenn in einem Fussballstadion ein unerwünschtes Transparent zu sehen ist, oder ein «Flitzer» übers Feld stürmt und eingefangen werden muss, so ist das weltweit ebenso wenig zu sehen, wie betrunkene oder randalierende Fans, die es natürlich ebenfalls gab. Dafür hat die Regie in kleinen Bildausschnitten immer nur dieselben Fans und Fangruppen mit bemalten Gesichtern gezeigt, welche sie dem Publikum als die Muster-Zuschauer präsentieren konnte.
Bei den Olympischen Spielen fiel zudem auf, dass in der heutigen Zeit die Journalisten zwar über jeden Facebook-Eintrag oder Tweet der Olympia-Akteure im Bild sind, aber die Leistungen auf dem Wettkampfplatz viel zu wenig gut einschätzen können. Auch da gibt es nämlich klare Kriterien, nach denen sich die Leistungen auf der Bahn oder in der Halle objektiv vergleichen lassen. Man muss sie halt nur kennen, obwohl sie weder auf «Google» noch im «Facebook» je erklärt werden… Und die vielen Experten, die sich heute an dem Sendern tummeln, sind meist auch nicht gerade eine Hilfe, weil die meisten von ihnen den Teilnehmer/innen noch näherstehen, als die Journalisten und deshalb noch mehr mitleiden. Das Mitfiebern sollte man den Zuschauern daheim überlassen. Als Reporter/in am Mikrofon hat man zwar auch das Recht auf persönliche Gefühle, aber deren Verbreitung durch den Äther sollte für das Publikum nicht zum Ärgernis werden. Seit die Medien allerdings unisono auf die Devise «Emotionen vor Fakten» setzen, sind solche Träume leider nur noch Schäume.
Den eigenen Kopf benutzen
Man muss sich deshalb immer bewusst sein, dass das, was heute am Bildschirm zu sehen und zu hören ist, immer weniger dem entspricht, was man gemeinhin als Realität anschaut. Es ist schon bald wie in der Werbung: Es wird eine Scheinwelt aufgebaut und uns mit einem ungeheuren technischen Aufwand als Wirklichkeit verkauft.
Wenn man das weiss, dann richtet dieser «Betrug» kaum Schaden an. Gefährlich wird’s erst, wenn man naiverweise alles, was man am TV sieht, für bare Münze nimmt.
Peter Tobler