Nostalgie-Hock

Über 40 Mitglieder des TVU 60plus wollten sich den Rückblick in Wort und Bild auf das goldene Jahrzehnt des TVU von 1959-69 nicht entgehen lassen.

«Nostalgie pur» am Donnerstag-Hock im Oktober
Über 40 Mitglieder des TVU60plus wollten sich am Donnerstag-Hock im Oktober noch einmal in die «gute, alte Zeit» der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts entführen lassen. Dabei war der grösste Teil des Publikums damals schon als Hauptbeteiligte dieses «goldenen Jahrzehnts des TVU» aktiv im Einsatz, so dass sehr viel Wissen und Erlebnisse aus erster Hand zusammenkamen. Entsprechend gut und interessiert war denn auch die Stimmung während den zwei Stunden, die mit Wort- und Bildbeiträgen keine Langeweile aufkommen liessen.
Ein Grundstock an visuellen Erlebnissen stammte aus dem Jubiläumsfilm «100 Jahre TVU» aus dem Jahre 1964, den Walter Kammermann mit seiner 16mm-Filmkamera während dem Jahr 1963 gedreht hatte, und der im März 1964 uraufgeführt worden war. Peter Tobler hatte daraus verschiedene Videoclips erstellt und mit Musik unterlegt, um die Trainings und Wettkämpfe zu jener Zeit in die Neuzeit zu retten. Natürlich hatte die Bildqualität im Laufe der vergangenen 50 Jahre beim analogen Kopieren von Film zu VHS-Video, und später vom Video zu DVD ziemlich gelitten, aber man konnte sich im Rückblick gut daran erinnern, dass einst auch die Qualität der Fernsehbilder nicht viel besser war…
Die Wortbeiträge, mit Fotos an der Videowand untermalt, deckten wichtige Bereiche des Vereinslebens im TVU von damals ab und gaben gleichzeitig einen Einblick in die Werte jener Zeit, die unseren Verein so stark machten, nämlich den Zusammenhalt der einzelnen Riegen unter dem Dach des Gesamtvereins.

Peter Tobler setzte gleich zu Beginn die Turnfestsektion des TVU an den drei Eidgenössischen Turnfesten Basel 1959, Luzern 1963 und Bern 1967 als Massstab und zeigte, wie gross der Aufwand war, an diesen drei Festen als eine der grössten Sektionen und mit den berühmten 128 Mann in den Marsch- und Freiübungen aufzutreten. Er beschrieb aber auch, wie die Widerstände in den einzelnen Riegen der Leichtathleten, Handballer und Skifahrer gegen diesen «Murks» immer grösser wurden, so dass 1967 dann das Ende der Grosssektion bedeutete, und wie die Athleten später nur noch als Spezialisten in ihren bevorzugten Disziplinen antreten konnten und dabei jeweils mithalfen, das Gesamtresultat mit ihren Leistungen hochzuhalten.

Christian Kohli war von 1962 bis 1967 TVU-Präsident und erlebte diese Periode also aus einer ganz speziellen Warte. Seine Erinnerungen an jene Zeit, in die 1964 auch das 100 Jahre Jubi-läum des TVU fiel, waren geprägt vom Erstaunen, dass er damals, als knapp 30jähriger Tur-ner bereits einen Grossverein wie den TVU führen durfte, der im Jubiläumsjahr die Grenze der 1000 Mitglieder übertraf und weit über die Region hinaus einen guten Ruf besass. Er war aber auch selbst ein Beispiel dafür, dass man sich noch überall kannte, war er doch bei den Leichtathleten als Zeitnehmer, bei den Handballern als regelmässiger Zuschauer und bei der Skiriege durch seine Kontakte im Skihaus und auf den Langlaufskis sehr gut vernetzt, was ihm beim Führen des Gesamtvereins sehr zu Hilfe kam. Dass «Vitamin B» im Verkehr mit der Politik schon damals nicht schaden konnte, erklärte er am Beispiel der Kunstturner-Reise nach Linz, als sich der «Zürcher Stapi» Emil Landolt schon im Vorfeld gegenüber ihm geäus-sert hatte, er solle beim Bedarf von Hilfe sich ganz einfach und unbürokratisch direkt an ihn wenden. Damit konnte Christian in Linz sozusagen als Vertreter des Zürcher Stadtpräsidenten die Grüsse aus Zürich und ein signiertes Stadtbuch überbringen.

Die Leichtathleten, die in den Sechzigerjahren von Erfolg zu Erfolg sprinteten und liefen, waren am Nostalgie-Hock besonders zahlreich und prominent vertreten. Walter Kammermann als neunfacher Schweizermeister über 3000m Steeple und mit ungezählten Staffelmedaillen, sowie später als Mittel- und Langstreckentrainer, hatte es besonders leicht, aus seinen vielen Erlebnissen einige Müsterchen «Marke Kami» zum Besten zu geben. Dass er dabei natürlich aus dem Kreis seiner Kollegen wie so oft auf seinen Sturz in den Wassergraben an den Schweizermeisterschaften 1963 in Basel erinnert wurde, wo er – mit einer hellen Wut im Bauch – sich im Endspurt schliesslich die Goldmedaille doch noch holte, war unvermeidlich.

Kami war auch bei einem sehr schönen Beispiel von Langlebigkeit der Kameradschaft von damals bis heute nochmals als Hauptbeteiligter dabei. Das TVU-OL-Team, welches 1962 den Schweizermeistertitel im Mannschafts-OL gewann, ist auch heute noch regelmässig im TVU 60plus bei dessen Anlässen dabei. Fritz Maurer als OL-Spezialist sowie Paul Knill und Kami als «Postenfresser» von damals, sassen natürlich auch diesmal wieder gemeinsam an einem Tisch, als Fritz Maurer mit seien Ausführungen den Gästen Einblick in die damals noch recht neue Sportart OL gewährte, die aus Nordeuropa eingeführt worden war, und wo der TVU schon in den Fünfzigerjahren eine Pionierrolle in der Schweiz übernommen hatte. Leute aus dem TVU wie Ernst Berger und Yvonne Caspari waren dabei lange Zeit initiative Förderer des Laufens im Walde, welches sowohl für die Leichtathleten in der Nachsaison als auch für Skilangläufer als Saisonauftakt sehr geschätzt wurde. Der seit 1953 organisierte TVU-OL war alljährlich ein beliebter Treffpunkt aller Untersträssler/innen und bekam mit der Zeit so richtig «Kultstatus». Auf die Frage nach der Arbeitsaufteilung des OL-Teams Maurer während dem Lauf gab Kartenleser Maurer das Erfolgsrezept bekannt. Wenn wieder einmal ein Posten in einem tiefen Loch oder an einer steilen Halde zu finden war, schaute er jeweils kurz zurück, um festzustellen, wer von den beiden «Mitläufern» gerade den besseren Eindruck machte, und den schickte er dann zum Stempeln an den Posten, während er sich auf der Karte bereits mit dem Weg zum nächsten Posten beschäftigen konnte.

1962 Schweizermeister im Mannschafts-OL (links) und 2019 beim Nostalgie-Hock dabei: v.l. Walter Kammermann, Paul Knill und Fritz Maurer

Neben dem TVU-OL und dem Skihaus auf dem Stoos war auch das «Chränzli», also die Abendunterhaltung des TVU, ein vielbesuchter Treffpunkt für die Mitglieder des gesamten Vereins, und zudem, wie das Skihaus, eine Möglichkeit, auch die Damenwelt des DTVU et-was näher kennen zu lernen… Dass dabei aus diesen Treffen später ungezählte Ehen von TVU- und DTVU-Mitgliedern entsprossen, war ein gerngesehener Nebeneffekt der allgemein guten Stimmung an diesen Orten.
Über das Chränzli und dessen Organisation wusste keiner besser zu berichten als Fons Kü-min, der als «Chalb» auf der Bühne, ebenso wie als trainingsfleissiger Seiltänzer oder Musiker in einem humoristischen Playback-Auftritt für Gelächter oder Staunen sorgte und später als Regisseur oder Chef der Unterhaltungskommission die Abendunterhaltung weiter mitprägte. Auch seine Anekdoten und Erlebnisse wurden vom dankbaren Publikum mit Applaus aufge-nommen, nicht zuletzt, weil man sich zwar noch an viele Auftritte von damals erinnerte, aber nie so richtig mitbekommen hatte, welch gewaltigen Aufwand dafür betrieben worden war.

Am Ende des «goldenen Jahrzehnts» stand dann der Aufbruch zu neuen Ufern, wobei sich besonders die Leichtathleten vom Gesamtverein zu emanzipieren begannen. Peter Boesch war dabei der Leader einer neuen, jungen Generation von Leichtathleten, welche noch, oder gerade noch, selbst aktiv gewesen war, und welche nun Verantwortung im Vorstand der Leichtathletikabteilung übernahm. Dabei waren die ehemaligen Hürdenläufer besonders zahlreich vertreten, Sportler, welche wussten, dass man Hindernisse nicht umgehen, sondern durch überlaufen bezwingen muss, wenn man etwas erreichen will. Peter Boesch konnte denn auch stolz darauf hinweisen, dass unter der neuen Führung die Leichtathletik im TVU einen grossen Schritt hin zu einer professionelleren Ausübung der Sportart machte, wofür auch die richtigen Strukturen geschaffen wurden. Dabei erhielten die Leichtathleten gleich zu Beginn der neuen Aera die Organisation der Leichtathletik-Schweizermeisterschaften 1973 zugesprochen, etwas was vor der Gründung des Einheitsverbandes der Schweizer Leichtathletik (SALV + ELAV = SLV) nie möglich gewesen war. Und mit Stolz durfte Peter Boesch darauf hinweisen, dass diese Organisationsarbeit gleich neue Massstäbe für die Schweiz gesetzt haben. Elektrische Zeitmessung und elektronische Weitenmessung wurden schon bald neuer Standard in der Leichtathletik. Dass aus einem eher kurz geplanten Engagement für Peter schliesslich über 20 Präsidialjahre wurden, zeigt sein Durchhaltevermögen und sein Verantwortungsbewusstsein für die TVU-Leichtathletik.

Den Abschluss im Reigen der Erinnerungen machten die zwei «TVU-Leichtathletinnen der ersten Stunde» Katja Arnold und Heidi Lüscher, die aus den Anfängen der Damenleichtathletik im TVU erzählten. Das war nicht etwa Unhöflichkeit ihnen gegenüber, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Frauen im TVU vor 1968 keinen «Zutritt» hatten. (In der Skiriege waren sie nur als Mitglieder des DTVU zugelassen.) Als es noch dem «alten» LA-Vorstand dämmerte, dass es auch in der Leichtathletik noch ein zweites Geschlecht gebe, ging im Herbst 68 alles sehr schnell, und unter der Leitung von Edy Furrer, Turi Merz und Emil Strebel trainierten schon bald einmal rund 20 junge Damen Laufen, Springen und Werfen, und kein Mensch konnte damals schon ahnen, dass dieser Teil im späteren LAC einmal für die grossen Erfolge des TVU sorgen würden. Katja und Heidi hatten beide die gleichen Erinnerungen über die Anfänge ihrer Kontakte zum TVU. Sie wurden von ihren Heimatvereinen an Weiterbildungskurse geschickt, wo mit den Trainern des TVU prominente Kursleiter agierten, welche ihnen das Leichtathletiktraining im TVU schmackhaft machten. So füllte sich die Trainingshalle im Allenmoos bald einmal mit vielen bewegungsbegabten und ausdauernden oder schnellen jungen Frauen, welche nach einem kurzen Wintertraining schon im darauffolgenden Frühjahr erste Wettkampferlebnisse machen konnten, knapp nachdem an der GV des LAC die Damenleichtathletikgruppe offiziell gegründet worden war. 

Dass das leichtathletische Credo der Männer sofort auch in die Damenleichtathletik übernommen wurde, zeigte sich schon bald in Sachen SVM. Max Toblers Grundsatz «Wenn vier Personen, welche mindestens 100m rennen können, beisammen sind, dann gibt das eine 4x100m Staffel und damit ein SVM-Team!», wurde sofort auch bei den Frauen zur «Raison». Dass es dabei in den Anfängen nicht ohne Verluste abging, zeigte Katja auf, die beim ersten SVM-Team begeistert mitmachen wollte, nachdem sie ja Sprint und Hürdenlauf trainiert hatte. Im Wettkampf musste sie dann allerdings Kugelstossen und Weitsprung bestreiten, weil dort die Plätze auf der Startliste noch frei waren. Immerhin war das auch ein Grund dafür, dass sich Katja danach erfolgreich dem Mehrkampf zuwendete, um dann erst später wieder zu ihrer ersten Liebe, dem Hürdenlaufen zurückzukehren.

Alle die vielen Schilderungen von Erlebnissen im Zusammenhang mit dem TVU der Sechzigerjahre hatten am Schluss fast zwei Stunden in Anspruch genommen, und weil danach eigentlich noch niemand «Stalldrang» verspürte, wurde halt die übliche Zeit des Hocks um rund dreiviertel Stunden überzogen, damit auch der Plausch, oder nochmals eine Bestellung von Kaffee und Kuchen möglich war. Familie Denaro nahm’s mit stoischer Ruhe, weil es ja ein interessanter Nachmittag gewesen war, so dass die verkürzte Ruhezeit bis zur Wiedereröffnung des Restaurants am Abend verschmerzt werden konnte.

Für den Vorstand im TVU 60plus hat der vergnügliche Nachmittag vor vollem Haus wieder einmal bewiesen, dass solche Spezialanlässe durchaus im Sinne der Mitglieder sind und von diesen auch geschätzt werden. Ideen für weitere Spezialanlässe aus Mitgliederkreisen sind dabei durchaus willkommen. Der Vorstand hat dafür ein offenes Ohr.

Peter Tobler

 

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